Interview mit Miriam Scheer-Gerowski von Wolkenmobil

Wie kamst du darauf „Das tiergestützte Wolkenmobil“ zu gründen?

Ich bin schon als Kind von der kompromisslosen Liebe eines Tieres fasziniert gewesen, und wo mir Menschen keinen Trost schenken konnten, war ich mit einer Pfote an meiner Seite gestärkt und nicht mehr alleine. 

Während meiner Arbeit in der akuten Psychiatrie (ich arbeitete noch als Krankenschwester) hatten wir eine Klientin – die sich regelmäßig schwer verletzte und ein sehr buntes, undurchschaubares, quälendes Störungsbild aufwies. Keiner der Kollegen konnte Zugang zu ihr finden. Ich hatte den Auftrag im Rahmen der Bezugspflege eine Brücke zu ihr zu finden, dies gelang mir leider nicht. Sie nahm keinerlei Kontakt zu niemandem auf. Mir fiel aber auf, dass wenn ich von meinen Hunden sprach etwas Leben in ihren Augen aufblitzte und ich stellte meiner Oberärztin den gewagten Plan vor, mit meinen Hunden und der Klientin in den Wald zu gehen – um dort zu schauen was passiert. Aufgrund ihres Klinikstatus, war es eigentlich unmöglich sie außerhalb der Klinik zu betreuen, aber irgendwie gelang es uns, diesen Plan zu verwirklichen. In diesem Wald geschahen unfassbare Dinge. Die Klientin ging auf den Boden und weinte sich am Fell meiner Hunde aus, sie erzählte von sich und wir schafften in einer Stunde eine Beziehung aufzubauen, die uns in dem 6-monatigen Aufenthalt nicht gelungen war. Dank der Hunde, die eine Brücke bauen konnten, was uns Menschen nie gelungen wäre. In dieser Stunde fasste ich den Plan, meine Vision zum Leben zu erwecken. Bis heute danke ich dieser Klientin und meinen unfassbar tollen Hunden. 

Was begeistert dich an deiner Arbeit?

Meine Arbeit läuft nie nach Schema F ab. Ich muss sehr viel Vertrauen in den Prozess legen und mich blitzschnell den Bedingungen anpassen. Meine Arbeit ist durch all die tierischen Charaktere absolut bunt. In dieser Arbeit entstehen einfach Wunder. Menschen sprechen, die sonst schweigen, weinen obwohl sie kalt erscheinen, werden weich und zärtlich obwohl sie sonst versteinert oder aggressiv sind, sprechen über ihre tiefsten Sehnsüchte und Schmerzen, die sie sonst niemanden erzählen. Diese ganzen Phänomene entstehen durch die Tiere.

Welche tiergestützte Therapie setzt du ein? Welche Tiere setzt du ein?

Ich arbeite grundsätzlich ganzheitlich und nutzte jedes „Werkzeug“ aus unserem großen Werkzeugkasten/Methodenkasten, der Menschen hilft. 

Therapieangebote sind z.B. Tiergestützte Achtsamkeit, Tiergestützte Traumatherapie/EMDR, Tiergestützte Antiaggressionsprogramme, Tiergestützte Adherence Therapie, Tiergestützte Pädagogik und ganz neu Snail Trail Therapie (die Therapie mit Schnecken).

Allerdings passen wir uns immer den Klienten an. Wir sind hier sehr vielfältig aufgestellt, hier kann es ein therapeutisches Gespräch bei den Ziegen oder Achtsamkeit bei den Schnecken sein, aber auch Traumatherapie im Stroh mit Hühnern, Exposition bei Ängsten mit Hund als Kraftstütze oder unsere mobilen Settings in Seniorenhäusern, Krankenhäusern, Einrichtungen mit besonderen Menschen, Schulen und Kindergärten. 

Unsere besonderen Therapeuten sind:

  • Hunde
  • Ziegen
  • Katzen
  • Hühner
  • Meerschweinchen
  • Kaninchen
  • Schnecken

Was bedeutet tiergestützte Gewaltprävention überhaupt?

Gewaltprävention wird mittlerweile oft angeboten, gerade im Rahmen von Corona sind Eltern überfordert, Kinder fühlen sich nicht gesehen und rebellieren auf ihre Art – der laute Schrei nach dem Gesehen werden. Oft gibt es allerdings auch andere Auslöser und Gründe, warum Kinder/Jugendliche in Kindergärten/Schulen ihrer Seele Gehör durch Gewalt verschaffen. 

Ich bin Konflikt- und Deeskaltionstrainer und ich habe im Rahmen dieser Ausbildung ein spezielles Programm für Kinder und Jugendliche entwickelt, welches dazu dient, das Tier als 

  • Katalysator, 
  • Brückenbauer 
  • Abkühlungsstrategie
  • Situationsaufweicher
  • Freund
  • Unterstützter in Sprachlosigkeit
  • Unterstützung als Krafttier 
  • Tröster

und Fürsprecher zu nutzen. Gewalt fällt nicht vom Himmel und hinter jeder Aggression steckt ein weiches Herz.

Wo setzt man sie ein? Und wann sollte man sie nicht einsetzen?

Solang Kinder noch erreichbar sind können wir sie gelenkt einsetzten, dennoch steht der Schutz der Tiere immer an erster Stelle. In meinem tiergestützten Gewaltpräventions-Webinar bringe ich Menschen bei, wie sie die Parameter deuten können und diese Messlatte nutzen, um Kindern und Jugendlichen mit Tieren zu helfen und die eingesetzten Tiere nicht zu instrumentalisieren, sondern die Grenzen zu erkennen. Einsatzorte sind Kindergärten, Schulen, Einrichtungen, Kinder-und Jugendpsychiatrien und im Einzelsetting. Hier geht es um Prävention und Nachbesprechung und auch Akutsituationen, jedoch bedarf es bei letzteren erfahrenen Fachkräfte.

Wie schützt du deine Tiere?

Ich bin der Beschützer meiner Tiere und das spüren und wissen sie – demnach besteht unsere Basis aus einer großen Vertrauensbasis. Hier fängt der Schutz an. Ich setze kein Tier da ein, wo ich auch nur den geringsten Verdacht auf Gefahr empfinde.

Welche Wirkung hat diese Methode?

Diese Wirksamkeit hat sicher keinen wissenschaftlichen Faktor, allerdings kann ich aus vielen Jahren Erfahrung schöpfen. Ich erhalte deutlich schneller Zugang zu den Kindern/Jugendlichen.

Es stellt sich eine deutliche Affektregulation ein. Die sonst so „störenden“ Kinder werden von der Außenwelt im Zusammenhang mit Tieren auf einmal anders wahrgenommen und dadurch wird einer Stigmatisierung entgegenwirkt. Durch Tiere kann sich das Selbstbewusstsein der Kinder und dessen Selbstwirksamkeit signifikant steigern. Ich kann die Hintergründe mit den Kindern deutlich besser bearbeiten, so dass sie verstehen, was hinter ihren pulsierenden Herzen steckt.

Herzlichen Dank Miriam!

Mehr Informationen:

Wer sich mehr für dieses Thema interessiert, hat die Möglichkeit am 28.01.22 & 29.01.22 um 18:00 Uhr ein Webinar bei Wolkenmobil zubesuchen.

Bild von Wolkenmobil