Bauernhoftiere bewegen Seniorinnen und Senioren

Grosses Interview mit Andrea Göhring und Jutta Schneider-Rapp über das Buch:

Bauernhoftiere bewegen Seniorinnen und Senioren: Tiergestützte Aktivierung rund um Huhn,Kuh und Co.

Erstmal finden wir den Titel „Bauernhoftiere bewegen Seniorinnen und Senioren: Tiergestützte Aktivierung rund um Huhn, Kuh und Co.“ sehr interessant. 

Bevor wir ins Thema einsteigen, wollen wir gerne wissen, wie haben sich eigentlich Ihre Wege gekreuzt? 

Jutta Schneider-Rapp: Wir haben uns über Bioland kennengelernt: Andrea als pädagogisch versierte Bioland-Bäuerin und ich als Journalistin. Zunächst habe ich ihre bauernhofpädagogischen Aktionen wie das Sonnenblumenlabyrinth und Kartoffelaktionen beworben. Aber so richtig Feuer gefangen habe ich erst, als Andrea angefangen hat, tiergestützt mit Bauernhoftieren zu arbeiten. Eine Reportage zu schreiben über Kinder mit Handicaps, hat mich viel mehr berührt. Zu erleben, wie sich immobile Kinder aus dem Rollstuhl hieven, um einen Esel zu streicheln oder Kinder mit Schwerstmehrfachbehinderung beim Schaf ein paar glückliche Momente finden, hat mich schwer beeindruckt.

Andrea Göhring: Von Anfang an war für mich klar, dass ein Bauernhof mehr ist als ein Ort an dem „nur“ Lebensmittel erzeugt werden können. Für mich ist ein Bauernhof eine Schatzkammer mit unendlich vielen Möglichkeiten. Deshalb habe ich sofort nach der Hofübernahme unseren Hof „geöffnet“ und die klassischen Wirtschaftsbereiche um pädagogische und therapeutische Arbeitsfelder erweitert. Dabei führte mein Weg vom Lernen auf dem Bauernhof und bauernhofpädagogischen Angeboten in die Sonderpädagogik und von da aus, nach der Weiterbildung zur Fachkraft für tiergestützte Therapie, weiter zu meiner Leidenschaft, nämlich der tiergestützten Arbeit mit Bauernhoftieren. Auf dem ganzen Weg dahin hat Jutta mich begleitet.

Sie haben vor diesem Buch, das Buch „Bauernhoftiere bewegen Kinder“ auch beim Pala Verlag veröffentlicht. Was hat Sie beide darin bestärkt gemeinsam auch dieses Buch mit diesem speziellen Thema zu schreiben? Gab es einen Anlass oder Anstoß dazu?

Jutta Schneider-Rapp: Wir hatten ganz viele Anfragen zu unserer Arbeit: von Medien, aber auch Interessenten, die ebenfalls mit Bauernhoftieren sozial arbeiten möchten. Daran haben wir gesehen, dass es einen großen Bedarf an Informationen rund um die tiergestützte Arbeit mit Kuh und Co. gibt. Vor allem Publikationen aus der Praxis haben gefehlt. Kein Wunder, denn Andrea ist ja Pionierin in diesem Feld. Gerne geben wir unsere Erfahrungen an andere weiter.

Im Buch wird beschrieben, wie sich die Ressourcen von älteren Menschen mit oder ohne Demenz auf dem Bauernhof stärken lassen und wie Biografiearbeit mit Kuh und Co. gelingt. Wie kamen Sie darauf, sich auf Menschen mit Beeinträchtigung, sei es körperlich, kognitiv, psychisch und mit Schwerpunkt Demenz Erkrankung zu konzentrieren?

Andrea Göhring: Schon fast fünfzehn Jahre fördere ich mit meinen wunderbaren Bauernhoftieren Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Eine Anfrage einer benachbarten Tagespflege brachte mich auf die Idee, auch mit älteren Menschen zu arbeiten. Mit pochendem Herzen startete ich die erste Aktion mit älteren Menschen und war sofort begeistert: Zu erleben, wie zunächst zurückhaltende Seniorinnen und Senioren beim Besuch der Hühner plötzlich ins Reden kommen und selbst Klienten mit Schlaganfall all ihre Kräfte mobilisieren, um für unsere Bauernhoftiere Getreideflocken zu quetschen und Gemüse zu schneiden, beeindruckte mich sehr. All das hat mich motiviert es nicht bei diesem einen Nachmittag zu belassen, sondern regelmäßig Tiergestützte Angebote rund um Schaf, Huhn und Co. für Seniorinnen und Senioren anzubieten.

Was ist eigentlich Biographiearbeit? Was versteht man darunter?

Jutta Schneider-Rapp: Wer ältere Menschen auf Bauernhöfen begleiten will, sollte ihre individuelle Lebensgeschichte berücksichtigen. Besonders bei Menschen mit Demenz ist die Biografie ein wichtiger Zugang. Denn das »Hier und Jetzt« geht immer mehr verloren, während das »Damals« gleichzeitig präsenter wird. Gerade die jetzige ältere Generation ist häufig noch mit Bauernhoftieren aufgewachsen. Oft sind Erinnerungen an die frühere Tierhaltung und die damaligen Arbeiten auf dem Bauernhof mit emotionalen Erlebnissen verknüpft. So können die Begegnungen mit Tieren eine Brücke in die Vergangenheit schlagen. Das gelingt auch ohne Sprache, beispielsweise übers Riechen, Fühlen und Schmecken.

Besondere Bedürfnisse von Älteren und Menschen mit Demenz? Welche sind es? Welche Erfolge konnten Sie schon sammeln? 

Andrea:Göhring: Menschen sind soziale Wesen und haben alle die Bedürfnisse nach Liebe, Trost, Einbeziehung, Bindung, Identität und Beschäftigung. Gerade bei Älteren oder Menschen mit Demenz im fortgeschrittenen Stadium schwindet oftmals die Fähigkeit, Freundschaften zu pflegen und Beziehungen aufrecht zu erhalten. Dementsprechend ist das Bedürfnis nach Dazugehörigkeit und Teil einer Gruppe zu sein, besonders ausgeprägt. Wenn die Menschen in kleinen Gruppen auf unseren Hof kommen, können sie soziale Kontakte zu Mensch und Tier pflegen und sich als Teil einer Gemeinschaft fühlen. Manche blühen auf dem Bauernhof richtig auf, kommen ins Reden und Tun. Tiere aktivieren einfach ältere Menschen…

Wie schaffen die Tiere das? 

Jutta Schneider-Rapp: Wenn die Seniorinnen und Senioren auf unsere Bauernhoftiere treffen, möchten sie am liebsten sofort mit den Tieren Kontakt aufnehmen, sie füttern und streicheln. Denn Tiere wecken den Wunsch nach Nähe und Zuwendung, aber auch das Bedürfnis, ihnen etwas Gutes tun zu wollen. Das bedeutet, die Seniorinnen und Senioren werden aktiv und gefordert, ohne es als mühsam oder anstrengend zu empfinden. Denn Tiere motivieren die Besucher*innen intrinsisch.

Sie schreiben auch, dass Tiere emotionale Bedürfnisse erfüllen. Wie zeigt sich das? 

Andrea Göhring: Viele Menschen vermissen im Alter Zuwendung und Nähe. Professionell Pflegenden fehlen dafür häufig die Zeit und Energie. Und oftmals haben die Angehörigen mit ihrem eigenen Alltag alle Hände voll zu tun. Diesen Mangel können Beschäftigungs- und Betreuungsangebote auf dem Bauernhof unter Einbezug der Bauernhoftiere lindern. Denn Tiere sind authentisch, vorurteilsfrei und akzeptieren Menschen unabhängig von ihrem Alter, ihren Beeinträchtigungen, Defiziten und Verlusten. Das Sehnen nach Berührungen und Nähe können Tiere durch ihre Wärme und Zuneigung stillen. Manche unserer Besucherinnen strahlen, wenn sie ein Huhn im Arm haben. Andere können sich nur mühsam von unseren Tieren trennen.

Tierische Unterstützter

Sie arbeiten auf Ihrem Bauernhof mit verschiedenen Tierarten? Welche sind das und welche Stärken haben sie? 

Andrea Göhring: Auf unserem Bauernhof leben drei Kühe, drei Esel, vier Minischweine, vier Ziegen, elf Schafe und eine kleine Hühnerschar, die alle ausschließlich für die pädagogisch/therapeutische Arbeit gehalten werden. Jedes Tier hat eigene artspezifische, aber auch individuelle Eigenschaften, Fähigkeiten und soziale Stärken. Ein paar Beispiele: Unsere älteren Gäste lieben Hühner. Die kennen sie noch von früher. Hühner bieten eine wahre Fülle an Sinnesreizen. Ihr Federkleid hebt sich deutlich vom kuscheligen Fell anderer Bauernhoftiere ab. Hühner fördern aber auch die Kommunikation. Da sie gut auf Ansprache reagieren und ihrem Gegenüber direkt in die Augen sehen, können sich ältere Menschen und Menschen mit Demenz leicht mit ihnen verständigen.

Kühe, mit ihrer ruhigen, friedlichen und gutmütigen Art eignen sich hervorragend für die Biografie- und Ressourcenarbeit. Viele ältere Menschen erinnern sich noch genau an die mühselige Arbeit mit den Kühen. Einen guten Einstieg ins Gespräch bieten daher alte Arbeitsgeräte wie Kummet oder Zaumzeug. 

Die munteren Schweine verbreiten eine gute Stimmung. Die Seniorinnen und Senioren haben Spaß, Leckerlis für Schweine zu verstecken oder sie zu trainieren. Und auch wenn es sich für manche ältere Menschen komisch anhört, mit Schweinen spazieren zu gehen, finden sie dann doch lustig und bereichernd. 

Sie halten auch Esel, das ist doch bei uns gar kein typisches Bauernhoftier?

Jutta Schneider-Rapp: Esel erinnern unsere Besucherinnen und Besucher fast immer an Pferde. Die gehörten früher als Reit- und Zugtiere einfach zum Alltag und genießen bis heute viele Sympathien. Gerade ihre gemächlichen Bewegungen und ihr langsames Tempo beim Führen ermöglichen auch älteren Menschen mit Rollator ein kurzes Eseltrekking. Und auch wenn der Umstieg vom Rollstuhl in unsere spezielle Eselkutsche für viele ältere Menschen anstrengend ist, genießen sie eine Eselkutschfahrt.

Und wo setzen Sie Ihre Ziegen ein?

Andrea Göhring: Auch Ziegen können Türen zur Vergangenheit öffnen. Galt diese doch nach den beiden Weltkriegen oftmals als die Kuh des kleinen Mannes. Viele unserer Gäste erinnern sich noch an die damalig Ziegenhaltung. Da Ziegen von ihrem Naturell her neugierig, interessiert und aufgeschlossen sind, kommen Seniorinnen und Senioren mit ihnen oftmals schneller in Kontakt als mit anderen Tieren. 

Sie sprechen davon, dass Schafe eine besondere Stärke haben im Umgang mit Älteren. Können Sie uns verraten, was die Schafe besonders gut können? Welche Rolle spielen die Schafe noch auf dem Bauernhof?

Jutta Schneider-Rapp: Schafe haben als Mehrwert die Wollverarbeitung. Waschen, Kämmen, Filzen oder Spinnen der Wolle hat für die ältere Generation nicht nur einen hohen Erinnerungswert, sondern bietet auch zahlreiche Möglichkeiten die feinmotorischen Fähigkeiten zu schulen. Außerdem eignen sich die sanften Wolltiere hervorragend für unsere betagten Gäste. Mit ihrer dicken Wolle ermöglichen sie gerade älteren Menschen mit einem nicht mehr so gut ausgeprägten taktilen Sinn Streicheleinheiten. Denn ihr dicker Wollmantel schützt sie vor ungelenken Händen. Daher tolerieren die Wolltiere auch ein gröberes Anfassen. 

Andrea Göhring: Das heißt aber keineswegs, dass wir unsere Schafe nicht schützen müssen. Wir haben eine Sorgfaltspflicht nicht nur gegenüber den Besuchenden, sondern auch gegenüber den tierischen Mitarbeitern. Sie brauchen ganz besonderen Schutz und unsere Aufmerksamkeit: Wir dürfen die Tiere nicht überfordern, instrumentalisieren oder gar ausbeuten. Tiergestützte Arbeit bedeutet immer auch tiergeschützte Arbeit. Tierschutz heißt das Tier während der Einsätze gut zu beobachten und seine Stress-Symptome zu erkennen und verstehen und ihm nach seinen Einsätzen ein artgerechtes und wesensgerechtes Leben zu ermöglichen. 

Tierische Sinne:

Sie schreiben im Buch: „Kühe sehen die Welt mit anderen Augen.“ Was meinen Sie damit? 

Andrea Göhring: Wir Menschen gehen oft davon aus, dass Bauernhoftiere die Umwelt genauso wahrnehmen, wie wir, weil sie die gleichen Sinne haben: also sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen. Dies ist aber falsch: Beispielsweise sehen Kühe weniger scharf und weit wie wir, haben dafür aber eine bessere Rundumsicht mit der sie ihre Feinde schneller wahrnehmen. Bewegungen sehen sie nicht wie wir als „Film mit fließenden Bewegungen“, sondern als Abfolge von Bildern. Deshalb erschrecken Kühe auch, wenn man sich ihnen zu schnell nähert. Besonders wenn sie mit erhobenem Kopf durch die Welt laufen oder geführt werden, fürchten sie sich manchmal auch vor unbekannten Objekten oder Schatten am Boden. Wer therapeutisch oder pädagogisch mit Kühen arbeiten will, muss den Besuchern nahebringen, sich langsam zu bewegen und das Sehvermögen der Kuh zu berücksichtigen. Ganz viele ältere Menschen kennen das noch aus ihren früheren Arbeitstagen mit den Tieren. Mit Druck, Geschrei oder Gewalt läuft bei den großen Wiederkäuern nichts. Dann streiken die Kühe einfach. 

Sie sprechen auch die Sprache der Kühe an – können Sie uns kurz einen Exkurs geben? 

Jutta Schneider-Rapp: Rinder sind längst nicht so kommunikativ wie Schweine oder Hühner. Sie leiden oft stumm und melden sich nur bei Hunger oder der Trennung des Kalbes von der Mutter. Die Gemütslage von Kühen lässt sich vielmehr an der Kopf- und Schwanzstellung erkennen. In der tiergestützten Arbeit müssen wir vor allem genau hinschauen: Je stärker eine Kuh ihr Kinn an die Brust zieht, desto aggressiver ist sie. Weitere Drohgebärden sind das Scharren mit den Füßen sowie das Schütteln des Kopfes oder stoßende Kopfbewegungen.

Klemmt die Kuh ihren Schwanz zwischen die Hinterbeine, ist sie entweder krank oder ängstlich. Hebt sie den Schwanz etwas an, ist sie aufgeregt oder droht. Wenn eine Kuh galoppiert und sich freut, hebt sie den Schwanz in die Luft. Auf solche Signale müssen wir achten.

Des Weiteren sprechen Sie im Buch darüber, Schweine besser zu verstehen: Schweine können sich mitteilen und sind sehr kommunikativ. Worauf sollte ein Laie besonders achten, wenn er in seiner Nähe ist. Was ist besonders an Schweinen? 

Andrea Göhring: Genau wie ihre wilden Verwandten sind Haus- oder Minischweine viel in Bewegung und haben ein stark ausgeprägtes Erkundungsverhalten. Allein neun Stunden täglich suchen sie nach Nahrung: Minischweine schnüffeln und wühlen tagsüber eigentlich immer und überall, um etwas Essbares zu finden. Ihre hohe Aktivität macht Schweine deshalb auch für ältere Menschen zu eifrigen Trainingspartnern: Alles, was man ihnen vor den Rüssel hält, wird sofort erkundet. 

Da die munteren Tiere immer in Bewegung sind, motivieren sie ältere Menschen, selbst tätig zu werden. Daneben sind Schweine sehr kommunikativ: Sie grunzen, quieken und schmatzen ständig. Das macht allen Menschen Freude. Die Schweinesprache berührt auch Menschen mit Demenz. Dank ihres authentischen Wesens sind Schweine wertvolle tierische Mitarbeiter. Mit ärgerlichem oder ängstlichem Quieken oder zufriedenem Grunzen signalisieren die Tiere unmissverständlich und sofort, wie sie sich fühlen.

Erklärung Bilder von links nach rechts: Agression, Agression, Angst, Aufmerksamkeit, Entspannter Kopf, Freude-Kopf-Entsapnnt, Freude

Gab es einen Moment, wo das Schwein Sie angesehen hat und Sie mitten ins Herz getroffen und Sie zu Tränen gerührt hat? 

Andrea Göhring: Natürlich berührt es mich, wenn meine Tiere, egal ob Schweine, Kuh oder Schaf mich liebevoll ansehen. Aber am meisten berührt es mich jedoch, wenn ich sehe, was die Tiere bei den einzelnen Besuchern auslösen. Zu erleben, dass Menschen mit Parkinson oder nach einem Schlaganfall beim Anblick der Minischweine zu Hochtouren auflaufen, hochkonzentriert Rüben und Äpfel für die Schweine schneiden, liebevoll Kartoffeln schälen oder voller Geduld und Hingabe Mais aus dem Maiskolben puhlen, das rührt mich tatsächlich zu Tränen. 

Tierische praktischen Übungen

Schön fanden wir auch den Teil im Buch, wo Sie praktische Übungen zum Nachmachen anregen, z.B. „Das erste Date mit Kuh und Co.“ Was können wir uns darunter vorstellen? 

Jutta Schneider: Wie in jeder Beziehung ist der erste Kontakt besonders wichtig. Daher bereiten wir unsere Gäste darauf vor und reden auch über ihre Erfahrungen mit Tieren. Die meisten kennen den Umgang mit einigen Bauernhoftieren noch von früher. Aber es gibt auch welche mit negativen Erfahrungen oder Berührungsängsten. Damit der erste Tier-Mensch Kontakt gelingt, ist es wichtig, ganz behutsam zu beginnen und genau zu beobachten. Das heißt, wir nehmen uns so viel Zeit, wie die Gruppe oder der einzelne Besucher braucht, geben sorgsame Anleitung und Hilfestellung und begleiten ganz intensiv die erste Annäherung. Schließlich legen wir hier den Grundstein für unsere weitere Arbeit. 

Sie helfen den Senioren ja nicht nicht nur, in Kontakt mit Tieren zu kommen, sondern auch, wie sie aktiv mit helfen können um sich unteranderem nicht mehr „alt, krank, schwach, hilflos, nutzlos zu fühlen. Sie lernen Butter herzustellen, Kühe zu melken, zu säen, zu ernten und sich zu kümmern. Was war das Berührendste, das Sie je erlebt haben? Besonderes Erfolgserlebnis? 

Andrea Göhring: Bei jedem Besuch gibt es besondere Erlebnisse, aber mehr noch berührende Momente. Unvergessen bleibt mir der Moment, als ein Besucher seinen Rollstuhl am Weideneingang stehen ließ und sich Arm in Arm mit mir und seiner Betreuerin über die holprige Weide kämpfte, um unsere Kuh Paula zu streicheln. Das ging mir sehr zu Herzen. Ein besonderes Erlebnis für mich war aber auch, als mein Mann mir mit seinem Traktor die Show stahl. Gut vorbereitet wollten wir uns gerade auf den Weg zu den Hühnern machen, als mein Mann vor die Werkstatt fuhr und dort sein Mähwerk reparierte. So schnell konnte ich gar nicht reagieren und schwupp die wupp waren die Männer der Gruppe bei ihm und es wurde gefachsimpelt, wie die Maschine am besten zu reparieren sei. Die Männer machte das Gespräch glücklich, die Frauen der Gruppe warteten geduldig. Und mein Mann fand es einfach nur lustig.

Tierischer Ausblick

Hat sich Ihre Einstellung zum Essen verändert, seitdem Sie so eng mit den Tieren arbeiten? Oder sogar bei den Gästen? 

Jutta Schneider-Rapp: Wir essen beide schon lange nur vegetarisch, erwarten das aber nicht von unseren älteren Gästen. Gerade bei den Schweinen erinnern sich viele ans Schlachtfest und gute Essen. Tiere zu verzehren war damals noch etwas Besonderes und Fleisch kam nur selten oder sonntags auf den Tisch. Wenn wir als Gesellschaft da wieder hinkommen würden, wäre für unsere Tiere und unser Klima schon viel gewonnen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Bauernhöfe? 

Andrea Göhring: Tiergestützte Aktivierung, so wie wir sie anbieten, tut Mensch und Tier gleichermaßen gut. Unserer Meinung nach kann sie aber auch dazu beitragen, Bauernhöfen wieder eine Perspektive zu geben und den Betreuungsnotstand im ländlichen Raum ein wenig zu lindern. Warum nicht einen Betreuungsnachmittag oder eine Tagespflege auf dem Bauernhof einrichten? Am besten im Team mit Menschen aus sozialen und landwirtschaftlichen Berufen. Noch steckt die soziale Arbeit auf dem Bauernhof mit Seniorinnen und Senioren in den Kinderschuhen. Aber Zukunft hat sie auf jeden Fall. Unser Wunsch für die Zukunft wäre also, dass viele Nachahmer auf Ihrem Hof ebenfalls mit ihren Tieren Menschen fördern. 

Vielen herzlichen Dank Frau Göhring und Frau Schneider-Rapp 

Über die Autorinnen:

Jutta Schneider-Rapp: ist mit Pferden und vielen Haustieren aufgewachsen, hat Agrarwissenschaften und Journalismus studiert und beackert seitdem grüne Themen für Online- und Printmedien.

Andrea Göhring ist Agrartechnikerin, Bauernhofpädagogin sowie Fachkraft für Tiergestützte Therapie, Pädagoik und Beratung (ESAAT). Auf ihrem Biohof in Oberschwaben fördert sie Kinder mit besonderen Bedürfnissen und bildet Menschen zur Fachkräften für Tiergestützte Intervention aus.

Bilder / Grafiken:

Information / Erlaubnis: Bilderauszug wurden uns zur Verfügung gestellt und die Bildrechte liegen bei Jutta Schneider-Rapp / Andrea Göhring. Buch wurde auf 100 % Recyclingpapier gedruckt. Buch ist im Pala-Verlag GmbH im Jahr 2022 erschienen.

Titelbild / Interview: links Jutta Schneider-Rapp / rechts Andrea Göhring

Stifterin Eva-Maria Backhaus ist sehr begeistert von dem Thema und Buch. „Ich bin begeistert davon, wie viel Freude, Spass Frau Göhring und Frau Schneider-Rapp zusammen haben bei dieser Arbeit“.