Die Gewalt im Klassenzimmer nimmt stetig zu. Auch Gewalt gegenüber Lehrkräften und unter den Schülern nimmt erschreckende Ausmaße an. Wie man dem beikommen kann, darum ging es im Webinar „Tiergestützte Gewaltprävention bei Kindern und Jugendlichen“. Referentin und Initiatorin war Miriam Scheer-Gerowski vom „Wolkenmobil“, die nicht nur staatl. anerkannte Kinderkrankenschwester ist, sondern viel Erfahrung als Fachkraft für Psychiatriepflege und tiergestützte Intervention mitbringt.
Neben Eva-Maria Backhaus von der Backhaus Stiftung waren unter den Zuhörerinnen und Zuhörern Pädagogen, Therapeuten, Förderlehrer, Schulleiter sowie Studenten. Einige arbeiten bereits mit der tiergestützten Intervention und verschiedenen Tierarten. Dazu zählen Hunde, Pferde, Ziegen, Katzen, Hühner, Meerschweinchen und Kaninchen.
Wichtiger Punkt des Abends: Der Blick hinter den Aggressionsvorhang. Schon ab der ersten Klasse beginnen Gewalttaten in der Schule. Ursachen kann dies viele haben. Das familiäre Umfeld spielt jedoch eine wichtige Rolle. Die Dozentin zeigte ein Video über einen 10-Jährigen, der von seiner Mutter wissen wollte, warum sie Alkohol trinkt? Um seine Mutter besser zu verstehen, trank er selbst heimlich und starb später an einer Alkoholvergiftung. Die Reaktion der Teilnehmer reichte von Trauer bis Sprachlosigkeit.
Die Dozentin wollte den Teilnehmern verdeutlichen, dass nicht nur die Aggression selbst ausschlaggebend ist, sondern die Ursachen verstanden werden müssen. Dabei unterscheiden Experten zwischen impulsiv-, instrumentell- und indirekt aggressivem Verhalten. Hintergründe wie Familie und soziale Faktoren spielen dabei eine Rolle.
Viele Kinder erleben ungünstige schulische Rahmenbedingungen. Dazu gehören inkonsequente Unterrichtsführung, Ablehnung, Kränkung und Bloßstellung im schulischen Umfeld sowie fehlende Grenzen. Hier hilft die tiergestützte Intervention. Der Zugang zu einem Tier fällt Kindern oft leichter als zu einer Autoritätsperson. Geheimnisse und Selbstzweifel mögen aggressive Kinder Erwachsenen nicht anvertrauen, einem Tier jedoch schon. Denn Kinder fragen sich: Wem kann ich trauen? Wer sieht und hört mich überhaupt? Sie fühlen sich missverstanden.
Mit Tieren lassen sich soziale Kompetenzen steigern. Teilen lernen: Das Tier kann gefüttert werden. Mitgefühl: Das Tier kann gestreichelt werden. Zusammenhalt: Mit dem Tier gemeinsam ein Hindernis überwinden. Die Lehrkraft kann die versteckten Botschaften übersetzen: Entschleunigung, Achtsamkeit, Geduld und Gefühle zeigen.
Das Tier soll zuerst als Brückenbauer dienen: Der Zugang zu aggressiven Kindern gelingt über ein Tier besonders gut, um dann den Ursprung von Gewalt zu erforschen. Zu den Methoden gehört die Eisberg-Theorie.
Kinder erfahren durch den Umgang mit Tieren direkten Erfolg. Dies zeigt sich, wenn z.B. der Hund auf ein Kommando hört oder unter Anleitung des Kindes über eine Hürde springt. Die ständigen Versuche trainieren auch die Geduld und den positiven Umgang mit Misserfolg. Der Gefühlshaushalt und die Wahrnehmung wird angesprochen, wenn z.B. ein Meerschweinchen auf dem Schoß sitzt, etwas frisst und sich dabei wohl fühlt. Entspannung kann trainiert werden, wenn ein Kaninchen gestreichelt oder eine Schnecke beobachtet wird.
Dabei ging es auch immer um die Unterrichtspraxis. Krisenbewältigung gelingt dabei durch diese vier Phasen: Auslöser, Eskalationsphase, Krise und Erholung. Für Lehrkräfte ist die Beobachtung entscheidend: Durch welche Gestik, Körperhaltung und Stimmlage verrät sich der Aggressor? Die Situation richtig einschätzen und dann passend zu reagieren ist dabei entscheidend.
Dozentin Scheer-Gerowski arbeitet in der tiergestützten Intervention regelmäßig mit Meerschweinchen. Zudem begleitet das „Wolkenmobil“ derzeit das Projekt „Hände für Kinder“ mit Hilfe von Hühnern. Kinder haben so individuelle Zeit mit einem Tier.